Walter Schwab
Die erste Zahl im Namen wie etwa 8x32 ist die Vergrößerung und sagt ganz einfach: Das Objekt erscheint 8 x größer bzw. so, als ob die Entfernung auf 1/8 geschrumpft wäre.
Hohe Vergrößerungen bieten mehr Details, besitzen aber auch Nachteile:
Das Panzernashorn im Chitwan Nationalpark erscheint im 8-fachen Fernglas 8 mal so groß bzw. 8 mal näher als ohne Glas. Die Entfernung von etwa 100 m schrumpft "visuell" auf bedrohliche 12,50 m!
Die zweite Zahl im Fernglas-Namen gibt den Objektivdurchmesser in mm an, beim 8 x 32 also 32 mm.
Große Objektive sammeln mehr Licht und liefern in der Dämmerung ein helleres Bild. Bei Tageslicht spielt das keine entscheidende Rolle.
Der Objektivdurchmesser bestimmt aber auch die Größe des Fernglases – und damit das Gewicht. Je größer, desto schwerer!
Die Bildhelligkeit hängt von der Objektivöffnung auch von der Vergrößerung ab. Je größer das Bild im Auge wiedergegeben wird, d.h. je größer die Fläche ist, auf die das vorhandene Licht verteilt
wird, desto dunkler wird das Bild.
Ähnlich wie bei einem Projektor: Je weiter er von der Leinwand wegrückt, umso größer wird das projizierte Bild – aber die Helligkeit nimmt ab.
Die entscheidende Kennzahl für die Bildhelligkeit ist die
Austrittspupille (AP) = Objektivdurchmesser / Vergrößerung.
Ein 8x32 Fernglas hat also eine AP von 4 mm.
Sie ist praktisch der Durchmesser des Lichtstroms, der aus dem Fernglas austritt. Für die wahrnehmbare Bildhelligkeit spielt aber auch das Auge eine wichtige Rolle: Nur der ins Auge gelangende Teil des Lichtstroms trägt zur Bildhelligkeit bei. Wenn die Augenpupille am Tag z.B. nur 2 mm weit auf ist, kann die Helligkeit des 8x32 Fernglases nicht einmal voll genutzt werden. Ein 8x20 mit einer AP von 2,5 mm liefert dann die gleiche Helligkeit.
Das Sehfeld beschreibt die Breite des Bildausschnitts, den man in 1.000 m Abstand überblicken kann. Ein gutes 10-faches Glas sollte ein Sehfeld von 105 m auf 1.000 m erreichen, die 8-fache Vergrößerung etwa 125 m und mehr. Bei Taschenferngläsern ist das Sehfeld naturgemäß kleiner.
Der Wert steht in den technischen Daten.
Dieser Wert wird errechnet als Wurzel aus dem Produkt Vergrößerung mal Objektivdurchmesser. Sie ist mißverständlich und eigentlich braucht sie niemand. Ein Beispiel zeigt das Problem:
Ein 8x56 Fernglas besitzt eine Dämmerungszahl von 21,2.
Ein 56x8 Fernglas mit winzigen 8 mm Objektiven besitzt die gleiche Dämmerungszahl. Während das erste Fernglas als ein ideales Nachtglas gilt, sieht man im zweiten praktisch nichts.
Jäger greifen in der Dämmerung zu Ferngläsern mit 50 bis 56 mm großen Objektivlinsen. Die sammeln viel Licht, liefern helle Bilder, wiegen aber ein gutes Kilo und sind zum Wandern völlig ungeeignet.
Die Alternative sind Objektive mit 40 oder 42 mm, die vor allem für die Vogelbeobachtung genutzt werden.
Bei kürzeren Wanderungen ist das Gewicht von etwa 700 - 800 g kein Problem, für lange Trekkingtouren aber zu hoch.
Ein 8 oder 10 x 32 bringt gute 500 g auf die Waage. Tagsüber reichen diese Durchmesser aus und sind eine absolute Empfehlung. Sie bringen hohe Leistung bei kompakten Maßen, besitzen große Sehfelder, und beim Seh- komfort sind sie den kleineren Taschen-Ferngläsern deutlich überlegen.
Die Modelle sind meist druckwasserdicht (nicht nur „spritzwassergeschützt“) und gegen Beschlag im Inneren mit Stickstoff gefüllt. Die Bedienung gelingt ohne Probleme auch mit Handschuhen.
Wenn sehr auf das das Gewicht geachtet wird, empfehle ich die Taschenferngläser. Die Modelle besitzen 20 oder 25 mm große Objektiven und 8- oder 10-fache Vergrößerung. Das Gewicht beträgt etwa 250 - 300 g.
Bei kräftezehrenden Touren geht es eigentlich nur noch um das Gewicht. Auch nicht um tolle Bilder, sondern um reinen „Informationsgewinn“ . Wo schlängelt sich der Pfad entlang, ist dort noch eine Markierung, was steht auf dem Hinweisschild, usw. Hier sind die monokulare Modelle die richtige Wahl. Diese Minifernrohre in den Varianten 8 x 20 oder 10 x 25 belasten nur mit etwa 100 g und finden überall Platz.
Alle binokulare Ferngläser bieten einen Dioptrien-Ausgleich. Er korrigiert abweichende Sehstärken zwischen Links und Rechts, so dass die Brillenträger das Glas auch ohne ihre Brille nutzen können.
Einfache Weit- und Kurzsichtigkeit (Hyperopie oder Myopie) bis zu einem Unterschied von etwa 4 dpt zwischen links und rechts können ausgeglichen werden. Bei höheren Werten oder Astigmatismus sollte das Fernglas mit der individuell angepassten Brille genutzt werden.
Der Bildeindruck und die Ergonomie von Ferngläsern sind sehr subjektiv. Reine Katalogdaten sind ungenügend, testen Sie Ferngläser unbedingt vor dem Kauf. Das gilt für die Vergrößerung, aber auch für die Handhabung. Wie liegt es in der Hand, wie ist es mit Brille? Vergleichen Sie Ferngläser direkt nebeneinander, bei gleichem Licht und gleichen Motiven. Heute hier, morgen dort gibt wenig Aufschluss. Schauen Sie vor allem nicht nur in der Bildmitte, sondern auch zum Bildrand. Schauen Sie in dunkle Schattenbereiche, lässt sich dort noch etwas erkennen? Im Zweifel empfehle ich das kleinere und leichtere Glas, das man gerne mitnimmt.
Die gängigen Ferngläser vergrößern 8- oder 10-fach. Kleinere Vergrößerungen werden zu Unrecht oft nicht mehr akzeptiert, höhere Vergrößerungen führen durch die Handunruhe zu stark verwackelten Bildern. Man muss selbst testen, welche persönlich die „Beste“ ist.
Das geht zum Beispiel so:
Schauen Sie mit verschiedenen Vergrößerungen auf feine Strukturen (entfernte Plakate oder Schriften) und beurteilen Sie, welches Glas das angenehmste Bild und die meisten Details liefert. Im Zweifel empfehle ich die kleinere Vergrößerung. Im Einsatz wird das Glas ohnehin unruhiger gehalten als im Ladengeschäft.
Kleiner Justage-Test: Halten Sie das Fernglas mit den Objektiven gegen ein Fenster, so dass es nicht verrutscht. Schauen Sie nacheinander durch beide Seiten. Der Bildausschnitt bei großer Entfernung sollte links und rechts gleich sein, andernfalls stimmt die parallele Justierung der optischen Achsen nicht. Das führt zu einem Doppelbild und nach einiger Zeit zu Kopfschmerzen.
Die Dichtigkeitsangabe bei Ferngläsern unterscheidet zwischen „wasserdicht / waterproof“ und „spritzwassergeschützt / water resistant“. Wasserdicht bedeutet: Das Fernglas kann ins Wasser fallen und hält den Druck zum Beispiel bis zu 4 m Wassertiefe (0,4 bar) aus. Schmutz kann im Waschbecken abgespült werden, hohe Luftfeuchtigkeit oder Staub sind ihm egal, und es ist in der Regel Stickstoff-gefüllt. Spritzwassergeschützt bedeutet: Normaler Regen und Wasserspritzer dringen zwar nicht ein, man sollte es aber doch möglichst schnell trocknen.
Ferngläser, bei denen sich beim Fokussieren äußere Teile bewegen (Okulare oder Objektive bewegen sich rein oder raus und "pumpen" dabei Luft rein oder raus) können natürlich nicht dicht sein. Gläser mit Innenfokussierung (nur innere Optikteile bewegen sich) sind klar zu bevorzugen. Nur bei solchen Geräten macht es auch Sinn, sie mit Stickstoff zu füllen. Der enthält im Unterschied zu normaler Luft keine Feuchtigkeit, die sonst bei kalter Witterung innen beschlagen kann.
Sehr interessant ist der Nahbereich. Früher taugten Ferngläser - wie der Name sagt - nur für die Ferne, heute lassen sie sich bis unter 2 m scharfstellen. Damit erschließt sich auch die Welt der Insekten in phantastischen und formatfüllenden Bildern. Moderne Ferngläser mit kurzem Nahabstand holen Libellen oder Schmetterlinge visuell auf 15 – 20 cm heran, und der Blumenfreund kann vom Weg aus Blüten studieren, ohne die Wiese zu zertrampeln.
Die Optik-Baugruppen sind jeweils in zwei Rohren, die durch eine Knickbrücke dauerhaft und parallel verbunden sind. Um das Glas auf unterschiedliche Entfernungen zu fokussieren, werden über den Mitteltrieb Linsen bewegt. Möglichst nur im Inneren, so dass sich das Volumen nicht ändert (Innenfokussierung), und keine Luft und damit Staub und Feuchtigkeit eingesaugt wird. Nur dann lässt es sich wirklich wasserdicht konstruieren und eine trockene Stickstoff-Füllung gegen Beschlag im Inneren macht Sinn.
Alle Glas-Luft-Flächen müssen gut entspiegelt sein, das heißt eine Mehrfach-Vergütung aufweisen. Das erhöht die Lichtdurchlässigkeit (Transmission) enorm und ist Voraussetzung für ein helles, kontrastreiches Bild.
Moderne hydrophobe Beschichtungen wie zum Beispiel ZEISS LotuTec machen die äußeren Linsenoberflächen extrem glatt. Dadurch werden sie Wasser- und Schmutzabweisend und lassen sich leicht und schnell reinigen, ohne durch allzu viel Reiben Kratzer zu verursachen.
Jedes Glasmaterial verursacht bei der Licht-Brechung eine Aufspaltung der Farben (Dispersion) und erzeugt dadurch sogenannte "chromatischen Aberrationen" im Bild.
ED-Gläser (ED= Extralow Dispersion) und vor allem FL-Gläser (FL = FLuoridhaltig) reduzieren diese Farbfehler, die sonst als Farbsäume an kontrastreichen Kanten sichtbar sind.
Wenn schwarze Abschattungen am Bildrand auftauchen, stimmt meist der Okularabstand nicht. Halten Sie dann das Glas mit beiden Händen und stellen Sie den Abstand der beiden Seiten sorgfältig auf den Abstand der Augen ein. Bringen Sie auch die Augenmuscheln in die richtige Stellung (testen), so dass das komplette Sehfeld und der schwarze Rand scharf gesehen werden.
Ein Fernglas am Riemen trägt man vor der Brust, nicht vor dem Bauch! So ist es geschützter, baumelt nicht ständig herum und ist mit einer kurzen Bewegung am Auge.
Halten Sie zum Stabilisieren das Fernglas mit beiden Händen möglichst weit vorne, stützen Sie es am Kopf ab oder benutzen Sie einen Stock zum Auflegen oder „Anstreichen“ (Anlehnen) des Fernglases.
Ist das Glas nass oder herrscht sehr hohe Luftfeuchtigkeit, verpacken Sie es nicht luftdicht in Plastikbeutel oder in die Tasche. Das kann zu Pilzbefall (Fungus) führen. Das Glas riecht dann irgendwann muffig, und auf den Linsen zeigen sich Spinnennetz-ähnliche Linien. Sonne und Luft sind zum Trocknen von Gläsern ideal und am einfachsten.
Zum Reinigen der Optik sind Microfaser-Tücher bestens geeignet. Blasen Sie zuerst Staub und Sandkörnchen weg oder spülen Sie das Glas (bei wasserdichten Modellen) mit Wasser ab, dann bewegen Sie das Tüchlein sanft kreisend. Viele moderne Gläser besitzen vorteilhafte wasserabweisende (hydrophobe) Beschichtungen auf den äußeren Linsen. Wassertropfen perlen darauf ab, Schmutz und Fingerabdrücke setzen sich nicht fest, die Gläser lassen sich schnell und schonend reinigen.
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Zuletzt aktualisiert im September 2024